Anatomie eines GAUs: Nährstoff-Reichtum, Beckenarbeiten und das Ammoniak

  • Heute morgen hatte ich den fast absoluten GAU erlebt. Es tut weh, darüber zu schreiben, aber ich hoffe, es hilft anderen, damit sie nicht den gleichen Fehler machen. ;(


    Als ich morgens ins Wohnzimmer kam sah ich keinen einzigen Fisch herumschwimmen, was ich bei Licht nie hatte. Und dann zu meinem Schock sah ich den chelmon leblos am Boden liegen, ohne jede Regung. Ich habe ihn ihn Windeseile mit einem Kescher eingesammelt und geschaut, ob er nur einen Schwächeanfall hatte oder noch am Atmen war. Leider bestätigte sich mein erster Eindruck: er war tatsächlich gestorben.
    Verzweifelt suchte ich nach weiteren Fischen, ob vielleicht alle gestorben waren und entdeckte den Korallenwächter, der sich noch träge bewegte. Ich konnte ihn schnell einfangen und habe ihn dann ohne großes Anpassen direkt ins neue Becken gesetzt. Danach sah ich dann weitere Fische, die noch träge sich bewegten, der Pallettendoktor war am am stärksten betroffen und ich konnte ihn ebenfalls mit dem Kescher fangen, was deutlich für seinen extremen Zustand sprach. Er kann ebenfalls ohne große Anpassung direkt ins neue Becken. Versuche, die Rauchkaiser oder den großen Lippfisch zu fangen schlugen leider fehl und ich habe sie erst einmal im Becken gelassen.


    Was war geschehen?


    Der Abschäumer lief nicht mehr ordentlich und war auch sehr dreckig, also habe ich den Kreislauf abgeschaltet und den Abschäumer rausgenommen. Die Reinigung ist ziemlich aufwendig und hat sich mit der Kontrolle und Reinigung der Pumpe gut hingezogen, dazu dann noch den Phosphatadsorber rausnehmen und ebenfalls reinigen und der Tag war gelaufen, es war halb zwölf abends, die Arbeit erst halb geschafft, denn das Technickbeckene war ebenfalls ziemlich dreckig mit einer Menge Detritus.
    Ich beschloss, den Abschäumer erst mal draußen zu lassen und morgen dann das ganze Technikbecken mit Refugium, das ebenfalls einiges an Detritus angesammelt hatte, einmal auszuräumen und dann wieder den Kreislauf zu schließen und Abschäumer wieder einzustellen.


    Offenbar habe ich aber mehr Detritus aufgewirbelt als ich gedacht hatte und mit der fehlenden Einbindung des Technikbeckens war zum einen die Temperatur abgesunken auf unter 23°C (Heizstab ist im Technikbecken im Refugium), zum anderen hat sich der fehlende Abschäumer offenbar schon nach gut einem halben Tag bei der hohen NÄhrstoffbelastung im System im Ansteigen von Ammoniak mit tödlichem Ergebnis bemerkbar gemacht.


    Als ich die Situation morgens entdeckt hatte, habe ich wie oben beschrieben herauszufangen versucht, was möglich ist und dann den den kreislauf geschlossen und Abschäumer angeworfen. Als letztes habe ich dann noch eine Handvoll Zeolith-Pulver als Notmaßnahme ins bEcken von der Strömungspumpe verteilen lassen, um noch das Ammoniak so weit wie möglich zu binden. Und dann war meine Zeit abgelaufen und ich musste zur Arbeit mit flauem Gefühl in der Magengrube, ob ich überhaupt noch lebende Fische am Abend wiedersehen würde.


    Zum Glück sah ich einige Fische wieder im Freiwasser schwimmen, als ich zurückkam.


    Die bisherige Bilanz meiner Fehleinschätzung:
    - mein heißgeliebter Chelmon ist gestorben
    - zwei Bispinosa Zwergkaiser sind ebenfalls als tot bestätigt, wobei ich den einen bisher nicht aus dem Riff herausholen konnte, so verkeilt ist er ganz unten im größten Steinkomplex. Ich vermute, er hat die Rückenstacheln abgespreizt.
    - der Palettendoktor ist stark angeschlagen und leidet noch unter Schock, lebt aber immerhin noch. Ob er Schädigungen/Lähmungen davongetragen hat wird sich erst im Laufe der Woche wirklich ziegen. Auf der Stirn hat er jedenfalls eine üble Verletzung, vermutlich als er ohne viel Kontrolle gegen die Steine geschwommen ist.


    Immerhin haben einige Fische es überstanden, interesssanterweise gerade die großen Brocken:
    - der Palettendoktor lebt weiterhin und scheint auch Kontrolle über seine Schwimmbewegung zu haben, auch wenn ser extrem verstört ist.
    - der Korallenwächter schien nach dem Umsetzen in guter Form zu sein und kam aus den Steinen des neuen Riffes hervor, um mich zu beobachten, als ich einen letzten Blick vor der Abfahrt zur Arbeit ins neue Becken warf.
    - die Rauchkaiser und der Papagei schwimmen normal jetzt im Becken, auch die beiden Lippfische habe ich lebend und schwimmend gesehen
    - einen eibli-Zwergkaiser habe ich gerade noch schwimmen gesehen


    Hoffentlich begrenzen sich damit die Verluste oben im Becken auf die zwei Zwergkaiser und meinen Chelmon. Ob die zwei Okinawagrundeln im Refugium es geschafft haben muss ich im Laufe des Abends sehen, wenn das Licht im Refugium gleich startet.


    Ich hätte nicht gedacht, dass bei einem nährstoffreichen Becken die Situation derart schnell kippen kann, vor allem, weil ich auch vorher schon ab und zu das Becken ohne Abschäumer einige Tage laufen hatte, wenn ich im Technikbecken umgebaut hatte. Jetzt aber, wo es kurz vor dem Abschalten des Beckens ist und ich es nicht mehr so gepflegt habe, hat sich das furchtbar gerächt. Ich trete mir gerade ständig selbst in den Hintern vor Wut auf mich selbst. Ausgerechnet die Fische, die nichts dafür können, mussten darunter leiden.


    Das zu schreiben fällt mir nicht leicht, vor allem, weil es wirklich mein Fehler war, aber ich hoffe, dass dies anderen eine Lehre ist, lieber die Arbeiten abzuschließen und nicht schleifen zu lassen. Und immer Easylife oder eben Zeolith-Pulver bereit zu halten als Sofortmaßnahme. Das war ein furchtbares Gefühl, das Becken in dem Zustand zurücklassen zu müssen und dann zu arbeiten und sich ständig zu fragen, ob noch irgendein Fisch am Ende des Tages leben würde.

  • Moin Sandy. Das hört sich böse an und liest sich für mich richtig Sch...! Ich bin ja noch nicht so lange dabei wenn mir so etwas passieren würde, wäre irgendwie typisch bei meinem ganzen handeln... Aber ich halte dich für recht erfahren und von daher wundert mich das doch sehr. Finde es wirklich respektabel da du dieses mit uns teilst!
    Mir kamen dazu sofort die Gedanken... ich musste lose Korallen kleben. Seit Samstag kocht mein Abschäumer wieder dauerhaft über. Heute Abend habe ich ein wenig flies vorgemacht, damit er langsam wieder anfängt abzuschäumen.
    Wäre so etwas mir passiert, wüsste ich nicht einmal wieso. Ich würde vom Giftstoff Kleber ausgehen? Aber das es so schnell gehen kann wenn der Abschäumer nicht läuft?!
    was hattest du für Nährstoffwerte? Weist du das in etwa ? Was macht das Zeopulver bzw Easylife in der kürze?
    Kopf hoch Jung.
    ich bin mir ziemlich sicher das die Fischis bisher ein sehr gutes yleben bei dir hatten!

  • Hallo Chris,


    ja, das war wirklich ein absoluter Horror! Im Becken scheint es langsam wieder besser zu werden, aber ich bereite trotzdem noch einen größeren Wassewechsel vor. Den werde ich allerdings erst morgen vornehmen, damit ich genügend Zeit habe, diesen sauber vorzubereiten. Was mit halben Sachen geschehen kann, habe ich ja geschrieben.


    Morgen abend wird auf jeden Fall das Refugium und das restliche Technikbecken einmal ausgeräumt. Bis dahin aber werde ich keinen Detritus mehr aufwirbeln.


    Micha : gerade weil ich kein Anfänger bin habe ich es geschrieben. Auch erfahrenen Leuten passieren Fehler, vor allem unter Zeitdruck und Müdigkeit.


    Wenn man müde ist und morgens früh aus dem Bett muss, weil die Arbeit wieder anfängt, macht man Fehler. Die Arbeiten hatten sich deutlich länger hingezogen als ich anfangs dachte und die Zeit hat nicht ausgereicht. Normalerweise wäre das kein Problem gewesen, ich hatte das Becken schon öfter mal einen Tag ohne Abschäumer betrieben, wenn ich z.B. das Technikbecken umgebaut habe und der Silikon zumindest einen Tag trocknenn musste. Nur kamen eben einige Umstände wie die deutlich höhere Wasserbelasstung und die Temperatur zusammen, die letztendlich dann zu dem GAU geführt haben.


    Das war mir eine schmerzhafte Lehre.

  • Der Hauptbestandteil von Easylife ist das Zeolith-Pulver, welches darin gelöst ist. Es hat die Eigenschaft, Ammoniak sehr schnell zu binden. Mir war schnell klar, dass es sich hier nur um eine Ammoniakvergiftung handeln konnte, deshalb habe ich das Zeolith-Pulver ins Becken gegeben, und zwar recht großzügig, bis das Becken wirklich eingenebelt war.
    Deshalb habe ich auch erwähnt, dass Zeolith-Pulver oder Easylife in die Notapotheke jedes Aquarianers gehört. Das kann z.B. auch bei einem Umzug helfen, wenn dort durch das Aufwirbeln von Detritus plötzlich ein Peak an Ammoniak auftritt.
    Zeolith-Pulver habe ich ein Kilo hier liegen, weil es sich sehr lange hält und deutlich billiger als Easylife ist. Gebraucht habe ich hier etwa 70-80 Gramm, fast das Doppelte, was empfohlen ist.


    Dei Temperatur ist bis auf 22°C runtergegangen, und das ist schon ziemlich grenzwertig. Viele Fische fühlen sich da nicht mehr wohl. Auch jetzt ist sie erst etwas über 23°C, das geht jetzt so einigermaßen wieder. Ich hatte das Becken offen gelassen, um möglichst viel Luftaustausch zuzulassen in der Zeit, wo der Abschäumer nicht lief.

  • Ich fahre mein Becken dauerhaft auf 23 grad. Daher die Frage.Hat diese Temperatur auch Auswirkungen auf die Korallen? Evtl gehe ich mal 1 grad höher?.

  • 23 als Dauertemperatur ist extrem niedrig.
    Auf 24 würde ich schon gehen.
    Auswirkungen in dem Sinne, dss man konkret dagen kann die Koralle ist (überspitzt formuliert) grau statt pinkt und wächst nach links statt nach rechts hat das nicht direkt.
    Ein generelles Unwohlsein wird aber mit Sicherheit dadurch gefördert, da es eben von der normalen Temperatur in den Gewässern deutlich abweicht (im Mittel um die 25.5).

  • Die 23 grad wurden mir ganz am Anfang empfohlen.Wie das neunmal so ist als Anfänger und den Empfehlungen. Man hat ja schließlich keine Erfahrung.Also morgen wirds wärmer;-)

  • Hallo Sandy,


    das tut mir leid mit deinen Fischen, kann da mitfühlen hatte ja auch schon 2 mal nen Totalverlust. Hätte auch nicht gedacht das es so schnell zu ner Amoniakvergiftung kommen kann, allerdings weiß ich nicht genau wie große Fische du drinnen hast und auf wieviel Liter. Und danke für deine Schilderung ich hab mich auch schon dabei ertappt das ich vergessen habe den AS oder die Nachfüllautomatik wieder einzuschalten....da werde ich in zukunft noch mehr darauf achten.


    Ich halte meine Beckentemperatur bei 25,5Grad.

    Gruß Mathias


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  • Zu den temperaturen: Wir haben unsere Flitterwochen am Great Barier Reef verbracht ( unser sommer, australischer Winter). Dort herrschten Temperatuen zwischen 17(!!!) Grad und 23 Grad im Wasser. Mittlerweile hat mein Becken durch die Technik teilweise auch 27 Grad im Sommer, allerdings reichen in meinen Augen auch 23 Grad. Und meine Korallen wachsen extrem gut und farbig. Aber wer den Tieren 25 Gad gönnen möchte, solle dein bitte tun. Und nun zurück zu Sandy post*sory Sandy* LG Chris

  • Dann spreche ich mal das Schlußwort.


    Der Abschäumer war ziemlich verschmutzt und lief nicht mehr so sauber wie normal, deshalb hatte ich ihn ja auch komplett auseinandergenommen und eine mühselige Generalreinigung vorgenommen. Wieviel schlechter er lief kam erst heraus, als es zum GAU kam. Die Wasserbelastung muss demnach schon ziemlich hoch gewesen sein. Das war wohl eine der Hauptkomponenten, die zur Katastrophe geführt haben.
    Dazu habe ich dann gestern abend gemerkt, dass eine der Strömungspumpen, die nicht direkt sichtbar ist, wohl auch ziemlich zugewachsen ist. Damit lagert sich auch mehr Detritus und Futterreste ab. Das war eine zweite Komponente.
    Der unterbrochene Kreislauf und entsprechend weniger Sauerstoff im Austausch und die fehlende Abschäumung war dann noch eine Komponente.


    All diese Sachen einzeln wären nicht so schlimm gewesen, aber alle auf einmal zusammen haben sie wohl zu meiner Katastrophe geführt.

  • Moin Sandy,
    das mit dem GAU tut mir echt leid ;( Man hängt ja auch an den Tieren...
    Ich finde es aber gut, daß du darüber geschrieben hast, auch wenn's schwer fiel.


    Der Heizer meiner Meerwässerleins steht immer auf 23-24°, im Sommer wird's dann gerne mal 25-26°. Bisher habe ich damit keine Probleme gehabt.

  • Hallo Steffi,


    der Chelmon war mein absoluter Liebling im Becken, er kam immer als erster zum Futtersieb und hat dort erstmal seine Schnute reingerammt und kannte auch sonst keine Scheu, schließlich war er schon Jahre bei mir im Becken. Er hat auch regelrecht mit mir kommuniziert und deutlich gemacht, dass es Futterzeit ist oder die Mahlzeit ruhig etwas üppiger sein dürfte.


    Da werde ich noch einige Zeit dran knacken, ihn verloren zu haben. Mein Verhältnis zu den Zwergkaisern war bei weitem nicht so eng. Mit den vielen großen Fischen im Becken lebten diese sehr versteckt und immer in Deckung des Riffs, wie das normal ist für diese Art.


    Typischerweise sind die Rabauken recht gut durch die Katastrophe durchgekommen, den Rauchkaisern geht es wieder ganz gut, und der Eibli-Zwergkaiser hat sich auch wieder blicken lassen. So langsam geht es dem Palettendoktor im neuen Becken auch wieder ein klein wenig besser, aber der Schock von der Vergiftung und dem plötzlichen Umsetzen ins neue Becken sitzt noch tief. Ideal ist das nicht, dass er fast allein jetzt im neuen Becken sitzt, nur den Korallenwächter als Gesellschaft.


    Für den Rest der Woche werde ich wohl beschäftigt sein damit, diese Misere wieder aufzuräumen und den Umzug ins neue Becken vorzubereiten.