Moin,
Weil ich gerade mal wieder in einem Thema unseres Forums über das Wort "eingefahren" im Zusammenhang mit "Beckenstart" gestolpert bin, hier mal ein paar Gedanken dazu.
Immer wieder lesen wir von eingefahrenen Dingen. Seien es nun Steine, Wasser, oder Bodengrund.
Meistens geht es um das Übernehmen "eingefahrener" Dinge in ein frisch gestartetes Aquarium. - Und oft heisst es in diesen Artikeln, dass ein eingefahrener Stein und eingefahrenes Wasser einen Beckenstart/Neustart etc. wesentlich vereinfachen.
An diesen Stellen klinke ich mich meistens gedanklich aus einem Forenthema aus.
Warum? - Deswegen:
Was macht ein eingefahrenes System aus?
- Siedlungsräume für Bakterien und Kleinstlebewesen wurden unter Berücksichtigung der vorhandenen Umgebungsverhältnisse besiedelt - unter den Konkurrenten aufgeteilt.
- Eine grobe Veränderung dieser Verhältnisse ist unwahrscheinlich und hat keine vorhandene biologische Grundlage.
Eingefahren bedeutet im Grunde: Verhältnisse geklärt - und zwar für den Beckenbesitzer zufriedenstellend geklärt.
Das heißt im Klartext aber auch,
dass weder Licht, noch Strömung, noch Biomaterie(!) verändert wird.
Fügen wir einem solchen System nun Komponenten hinzu (ein Ableger zieht ein),
entnehmen welche (Ableger oder Technik oder ein Stein wird entnommen),
oder verändern vorhandene Umgebungsbestandteile (den Stein setze ich mal woanders hin), verändern wir die Verhältnisse aufgrund derer sich das System "eingefahren" hat.
Sprich: Wir bringen das System aus genau dem Gleichgewicht, dass ein eingefahrenes Becken eben ausmacht.
Bakterien sind unfassbar vielfältig und wandlungsfähig. Es gibt aber auch unzählig viele verschiedene Bakterien.
Verändern wir ihren Lebensraum, verändert sich zwangsweise das Verhältniss der Bakterienstämme.
Einige reagieren schneller auf die neuen Bedingungen, andere nicht.
Versetzen wir auch nur einen Stein im Becken, ändern wir im ganzen Becken die Strömung (zum Teil nur minimalst, zum Teil aber auch sehr deutlich).
Licht wird an der betroffenen Stelle anders reflektiert als vorher.
Sauerstoffverhältnisse können sich ändern.
Ein Lebewesen, dass mehr Strömung braucht stirbt eventuell am neuen Standort eines Steines ab, ein anderes floriert stärker als vorher.
Die Strömung ändert sich durch das versetzen eines einzelnen Gegenstandes im ganzen Becken.
Man nennt das Butterfly-Effekt.
- überall starten neue Kämpfe um die Vorherschafft bei Besiedlung von Flächen, da die Grundvoraussetzungen zum Überleben verschoben wurden.
Eventuell (eigentlich sogar ganz sicher) sterben bestimmte Lebewesen durch diese veränderten Verhältnisse ab.
In einem großen Becken hat das oft keine für uns wahrnehmbaren Auswirkungen.
Viele Dinge kompensiert auch unsere Technik (wir merken eventuell, dass der Abschäumer mal etwas mehr herausholt).
Wann immer sich Strömung, Licht, oder Biomaterie ändert, startet ein unsichtbarer Kampf.
Oft ändert sich wenig. Manchmal ändert sich alles!
Was hat das mit eingefahrenen Bestandteilen zur Unterstützung neuer Systeme/Aquarien zu tun?
- Entfernen wir nun aus einem eingefahrenen System einzelne Teile, um sie als stabilisierendes Element in ein anderes, oder neues System einzubringen und dieses mit eben diesen "eingefahrenen" Komponenten zu stabilisieren, führen wir den Begriff "eingefahren" eigentlich ad absurdum.
Was hilft, ist das Vorhandensein für uns vorteilhafter Bakterien und Lebewesen in einem Maß, dass es unvorteilhaften Bewohnern unserer Aquarien schwer macht, sich zu etablieren.
Aber das umsiedeln eines "eingefahrenen" Aquarieninhaltes gibt es nicht - wir starten damit immer und unausweichlich einen neuen Kampf der Besiedler und jedes Becken braucht seine Zeit, bis dieser Kampf ausgefochten ist.